Von der Kuh zum Logo
Das Geheimnis guter Gestaltung – wie die Hamburger Grafikdesignerin Lena Daetz dem Schatzinsel-Kosmos ein markantes Gesicht gibt.


Kaum hat Mathias Schilling ein neues Projekt in Planung, hat er drei Frauen im Kopf: seine Frau Nicolle, mich (Cathrin Brandes) als Projektleiterin und Lena Daetz als Grafikerin. Lena ist seit fast 10 Jahren mit an Bord und hat das visuelle Erscheinungsbild von Mathias Schillings Unternehmungen kreiert und weiterentwickelt. Egal, ob der Inselbauer und Gastronom eine Erweiterung seiner Restaurant-Familie plant oder eine neue Wurstsorte, einen zeitgemäßen Internetauftritt, ein spannendes Buch über das rebellische Leben seiner Urgroßtante Laurette an den Start bringt, die Wahl-Hamburgerin Lena Daetz gibt Mathias’ Unternehmungen ein analoges wie digitales Gesicht.
Apropos digital: Um unsere langjährige Kooperation für diesen Artikel ins Licht zu rücken, treffen Lena und ich uns im Netz. Sehr modern: Lena sitzt in ihrem Hamburger Studio am Schreibtisch, ich im Homeoffice im spanischen Madrid. Ein kosmopolitischer Kontrast zur urbanen Insel Öhe, auf der unser gemeinsamer Auftraggeber Mathias Schilling mit seiner Familie lebt und arbeitet.
Kennengelernt haben Lena und ich uns vor 10 Jahren in Berlin, bei der Kooperation zu meinem zweiten Kochbuch „Berlin – die Stadt nascht“ über Berlins Schokoladenseiten. Sie jettete damals für das Projekt zwischen Hamburg und Berlin hin und her immer ihre kleine Mischlings-Hündin Jule, heute 16, im Schlepptau. Lena brachte nicht nur ihren Hund, sondern viel Geduld und Optimismus mit, um ein manchmal überbordendes und sehr buntes Buch-Konzept ideal zu verpacken. Als mich rund ein Jahr später mein damals noch neuer Auftraggeber Mathias Schilling mit der Betreuung eines geförderten Projekts zur Markteinführung regionaler Fischkonserven beauftragte, benötigten wir ein starkes Verpackungsdesign. Da fiel mir die geduldige, kreative und kompetente junge Grafikerin aus Hamburg wieder ein – und schon schrieben wir gemeinsam Geschichte. Diese Geschichte ist es Wert, erzählt zu werden, denn längst hat die langjährige Zusammenarbeit aufsehenerregende Spuren hinterlassen: eine vielfältige, doch sichtlich verwandte Logo-Familie, ein nachhaltiges Verpackungsdesign für tolle Produkte und einen eigenen visuellen Stil bei Print- und Webdesign.
Lenas Weg zur Grafikdesignerin mit Sitz in Hamburg, mit viel Erfahrung und immer neuen kreativen Ideen hatte Kurven. 1984 im niedersächsischen Dorf Groß Brunsrode als Tochter einer Zahntechnikerin und eines Ingenieurs geboren („mein Vater kann prima zeichnen“), malte und bastelte sie schon als Kind viel. Ein erster Umzug nach Braunschweig brachte nach dem Abitur noch nicht die erhofften Auf- und Anregungen. Eine Tischlerlehre in Berlin machte Spaß, das Handwerkliche lag Lena, doch sie vermisste kreativ Herausforderndes. Und war die Großstadt Berlin nach Groß Brunsrode nicht doch ein bisschen zu aufregend? Lena zog weiter nach Wien, um dort Theater-, Film- und Medienwissenschaft zu studieren. Wien fand sie zunächst wunderschön, auf den zweiten Blick aber stockkonservativ. Das Studium war trocken und theoretisch. Bei einem neuen Anlauf – Kommunikationsdesign in Hamburg – machte es dann Klick. Lena bewarb sich mit einer Mappe, war erfolgreich, verliebte sich ins quirlige St. Pauli und entdeckte an der Uni ihre Passion für Typografie.
Hiddenseer Kutterfisch – Der Aquavit

Nicht nur bei den Fischkonserven funktioniert das Logo der Hiddenseer Kutterfischer. Mit den Einnahmen des Aquavits wird der Verein Hiddenseer Kutterfischer e.V. unterstützt.

Diese Passion treibt sie bis heute an. Warum? „Typografie ist mehr als die Suche nach der passenden Schrift für jeden Auftrag. Eine Botschaft so zu gestalten und zu arrangieren, dass sie gut verständlich und einfach lesbar ist und in Erinnerung bleibt, begeistert mich“, sagt Lena. Nach dem Studium kommt aber zunächst eine weitere Kurve: Lena packt die Abenteuerlust und die Liebe zum Wein. Weinanbau und Weinproduktion fesseln sie so, dass sie bis nach Georgien reist, das Land, das als Wiege des Weinanbaus gilt. Lena: „Wein ist genauso vielfältig wie Menschen und wie die Länder, aus denen er kommt. Anbau, Verarbeitung und das Zusammenspiel von gutem Wein und gutem Essen finde ich faszinierend.“ Diese Faszination kann Lena ausleben, als sie ein Pop-up Restaurant in einem alten Kontorhaus im Hamburger Hafen leitet. Als dieses Abenteuer endet, bleibt ihre Affinität zum Wein und zur Gastronomie.
Bis heute hat Lena viele Kunden aus der Gastronomie und entdeckt Parallelen zwischen Gestalten und Bewirten. „Beides ist Dienstleistung, beides ist Kunst.“ Beide Branchen befinden sich durch die Digitalisierung im rasanten Wandel, „leider nicht immer zum Guten“. Die mittlerweile Vierzigjährige hatte im Studium viel über klassische Printmedien gelernt. Sie liebt die Haptik von Papier, den Geruch druckfrischer Magazine, das Gefühl, Selbstgestaltetes in der Hand zu halten. Gerade diese Passion kann Lena Daetz in der Kooperation mit Mathias Schilling ausleben. Die zweite Ausgabe unseres Schatzinsel-Magazins ist im Layout, das Buch „Erst wägen, dann wagen“ (siehe Seite 12), das die Lebensgeschichte von Mathias Schillings Urgroßtante Laurette erzählt, hat Lena mit aufregenden Collagen versehen und gerade in die Druckerei geschickt. Typografie, Papierauswahl, Illustrationen – Lena hatte freie Hand. „Mathias hat mir vertraut, dass ich das richtige Gefühl transportieren werde. So viel Spielraum bekommt man selten.“ Neben der Freiheit schätzt sie auch die Arbeit im Team. „Bei Mathias bin ich von Anfang an in die Prozesse eingebunden. Wir entwickeln die Marken zusammen, von der Idee bis zum fertigen Schild mit dem Logo.“
Mathias Schilling wiederum freut sich, wenn seine Gäste ihm sagen, dass sie das neueste Restaurant auf Hiddensee aufgrund des schönen Logos sofort mit ihm in Verbindung gebracht haben. Dann weiß er, dass sich die Investition in ein gutes Markenbild und Vertrauen ausgezahlt haben. Wie aber funktioniert die Kreation eines neuen Logos? Erst gilt es herauszufinden, was der Kunde will. Nicht jeder Auftraggeber hat so klare Vorstellungen wie Mathias Schilling, nicht jeder Ansprechpartner ist erfahren in der Kooperation mit Grafikdesignern. Viele Fragen müssen gestellt werden: Wer ist die Zielgruppe? Soll das Logo seriös, modern oder frech wirken? Reicht ein Schriftzug oder wird eine Wortbildmarke mit einer Grafik gewünscht? Sobald klar ist, was der Kunde braucht, macht sich die Grafikerin ans Werk, das in Programmen wie InDesign entsteht. Natürlich fängt Lena am liebsten mit der Schrift an. Sie denkt über Rundungen nach, die Vertrauen bilden, über ausgefallene Buchstaben, die das Besondere vermitteln und über Häkchen, an denen der Blick hängen bleibt. Erst wenn Lena mit zwei oder drei Schriftvorschlägen glücklich ist, denkt sie über die passende Grafik für eine Wortbildmarke nach. Ganz zum Schluß kommen die Farben. Dann folgen ein, zwei, drei Abstimmungsrunden mit dem Auftraggeber. All dies funktioniert nicht ohne gutes Zeitmanagement, zumal Lena nicht nur Grafikerin, sondern auch Mutter ist. „Zwei Monate nach der Geburt meines Sohnes Kaspar habe ich wieder gearbeitet. Meine Kunden hätten mir keine zwei Jahre Elternzeit erlaubt. Dank der Hilfe meines Partners bekomme ich unter einen Hut, was nicht immer leicht unter einen Hut zu bekommen ist.“

Gestaltete Erzeugnisse nennt Lena Daetz ihre Kreationen. Sie versteht sich als Dienstleister im kreativen Prozess. Natürlich ist ihr der künstlerische Aspekt wichtig. „Aber wichtiger ist, dass der Kunde genau das Design bekommt, was er bewusst oder unbewusst wollte.“ Muss sie dabei gelegentlich von eigenen Vorstellungen abrücken? „Ja. Aber ohne Ego funktioniert Design besser.“